Die Schattenseiten der Bio-Industrie - hat Bio wirklich Vorteile und wie sieht es mit dem Tierschutz aus?
Bio-Lebensmittel sind klar auf dem Vormarsch. Vor nicht allzu langer Zeit gab es Bio-Produkte nur in darauf spezialisierten Läden, doch dann hat der Bio-Trend Fahrt aufgenommen: Heutzutage hat so gut wie jeder Discounter seine Bio-Eigenmarke und immer mehr Lebensmittel sind in "Bio-Qualität" in den Supermarktregalen zu finden. Und auch auf immer mehr Snacks, die man sich mal eben im Vorbeigehen holt, ist das Bio-Siegel zu finden.
Ein Bio-Lebensmittel zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht gentechnisch verändert wurde und beim Anbau der Pflanzen auf den Einsatz von konventionellem Dünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln verzichtet wurde. Zusatzstoffe und Aromen dürfen bei der Weiterverarbeitung verwendet werden, jedoch nur ein kleiner Teil von denen, die für die konventionelle Landwirtschaft zugelassen sind.
Im Zuge dessen wird von den meisten Menschen "Bio" damit gleichgesetzt, dass es sich hierbei um "gesündere" Produkte handelt bzw. eine deutliche bessere Alternative zu Lebensmitteln ohne Bio-Kennzeichnung. Doch hält diese Vermutung auch einer kritischen Prüfung stand? Und was bedeutet "Bio" für das Tierwohl, die Umwelt und die Nachhaltigkeit allgemein? Alles prima? Oder ist es am Ende oftmals nur gutes Marketing und Augenwischerei?
Das schmutzige Geschäft mit dem Bio-Siegel
Das schmutzige Geschäft mit dem Bio-Siegel

Bio-Lebensmittel sind durch den Verzicht auf konventionellen Dünger und Pflanzenschutzmittel im Anbau deutlich teurer, was sich am Ende auch auf den Preis niederschlägt, den der Kunde an der Supermarktkasse zahlt. Den Lebensmitteln kann man es in der Regel nicht ansehen, ob sie biologisch oder eben konventionell angebaut wurden - wir müssen uns wohl oder übel auf das Bio-Siegel bzw. die Produktkennzeichnung verlassen. Und wo sich durch ein bloßes Siegel auf einmal nahezu doppelt so viel Geld verdienen lässt, da ist automatisch auch ein großes Potenzial für Fälschung und Betrug vorhanden.
Und so kommen immer wieder verschiedene Lebensmittelskandale ans Tageslicht, bei denen konventionelle Produkte einfach mit dem Bio-Siegel versehen wurden - aus Profitgier. Ein Beispiel hierfür ist ein Fall aus Italien, bei dem eine Fälscherbande über viele Jahre mehr als 700.000 Tonnen konventionell hergestellte Lebensmittel umdeklariert und teuer als Bio-Ware exportiert hat - unter anderem nach Deutschland. Ebenso der Fall um die Bio-Eier von mehreren Landwirtschaftsbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern. Hier sollen Millionen Eier illegal als Bio-Eier in den Handel gebracht worden sein, was einen Gewinn von fast einer Million Euro pro Jahr bedeutet.
Neben wirtschaftlichen Interessen gibt es teilweise auch politische Verstrickungen und Abhängigkeiten: So zum Beispiel bei der Firma Ambasel Trading in Äthiopien, welche angeblich Bio-Sesam produziert und dementsprechend für den Anbau ein EU-Biozertifikat hat. Kontrollen vor Ort sind jedoch so gut wie unmöglich, da die Firma zur Regierungspartei gehört. Das bedeutet in dem Fall tatsächlich, dass Bio-Kontrolleure aufgrund einer zu genauen Kontrolle, sogar im Gefängnis landen können.
Das Problem mit Bio-Kontrollen außerhalb der EU
Das Problem mit Bio-Kontrollen außerhalb der EU

Bei Bio-Kontrollen in deutlich ärmeren Ländern z.B. Afrika, Lateinamerika oder in Asien, gibt es ein grundsätzliches Problem mit Bio-Kontrollen: Die Kontrollbetriebe stehen oftmals in finanzieller Abhängigkeit zum Produzenten. Die Betriebe können vor Ort nämlich aussuchen, welche Bio-Kontrollstelle sie kontrollieren soll. Stellt eine Kontrollstelle bei der Prüfung entsprechende Mängel fest, verliert die Kontrollfirma den Produzenten als Kunden.
Der Druck für die Bio-Kontrollstellen ist also sehr groß und aufgrund dieser Situation werden dann bei einer Kontrolle schon mal beide Augen zugedrückt und das Bio-Zertifikat ausgestellt, um den Produzenten als Kunden nicht zu verlieren.
Der große Preisunterschied von konventionellen zu ökologischen Lebensmitteln macht den Deklarierungs-Betrag für die Produzenten in den ärmeren Ländern sehr attraktiv. Das wird dadurch deutlich, weil sich entsprechende Unregelmäßigkeiten und verdächtige Fälle in den letzten Jahren mehr als verdreifacht haben. Ebenso sind die Betrüger immer raffinierter geworden, was den Einsatz von (gemäß Bio-Siegel) unerlaubten Pflanzenschutzmitteln anbelangt. So werden beispielsweise beim Anbau der Pflanzen entsprechende Pestizide mit kurzer Nachweisdauer eingesetzt. Diese Stoffe bauen sich so schnell wieder ab, dass sie bei zusätzlichen Kontrollen in Deutschland nicht mehr nachgewiesen werden können.
Und wer kontrolliert eigentlich die Bio-Kontrolleure im Ausland? Zuständig dafür ist die EU - sie sollte die privaten Ökokontrollstellen überprüfen, doch bringt es gerade einmal auf mickrige 6 Kontrollen im Jahr.
Wie gut sind die "echten" Bio-Produkte?
Wie gut sind die "echten" Bio-Produkte?

Wie sieht es nun mit Produkten aus, die tatsächlich auch "bio" sind? Grundsätzlich kann man festhalten, dass sämtliches Obst und Gemüse das ganze Jahr über bei uns erhältlich ist. Ob ein Produkt gerade Saison hat oder nicht, spiegelt sich lediglich im Preis wider. Importiert wird die Bio-Ware aus den verschiedensten Ländern der Welt. Zum einen, weil die Nachfrage in Deutschland so groß ist, zum anderen, weil es Produkte wie Kaffee und Bananen generell nicht in der EU gibt oder eben nicht in ausreichenden Mengen gibt.
Der eigentliche Anbau der Bio-Produkte geschieht grundsätzlich ähnlich wie bei konventionellen Lebensmitteln. Wer also beim Anblick des grün-weißen Bio-Siegels auf der Verpackung an hübsche Bauernhöfe, idyllische Landschaften, glückliche Tiere und gesunde, kräftige Pflanzen inmitten blühender Landschaften denkt - den müssen wir leider enttäuschen. Denn biologisch angebaute Produkte sind mittlerweile zu einer Massenware geworden und der Anbau geschieht so effizient (und profitabel) wie möglich - und das geht nur mit der industriellen Landwirtschaft.
Und so verschwimmen die Grenzen zwischen konventionellem Anbau und biologischem Anbau immer mehr. Das wird deutlich, wenn man sich z.B. die Firma Biosabor in Níjar (Spanien) anschaut - Europas größter Anbauer von Biotomaten. In der Provinz Almería stehen über 40.000 (!) Treibhäuser, in welchen "unser" Bio-Gemüse wächst - denn ca. 40 Prozent der Ernte gelangt nach Deutschland.
Bio auch zum Wohl der Arbeiter?
Bio auch zum Wohl der Arbeiter?

Der Anbei von Bio-Produkten ist im Vergleich zum normalen Anbau auch arbeitsintensiver und führt dazu, dass möglichst günstige Arbeitskräfte benötigt werden. Zehntausende Migranten aus Marokko, Afrika und Osteuropa arbeiten daher in der Bio-Plantage von Biosabor - bei fast unerträglicher Hitze. Die Jobs sind befristet, mit wenig Sicherheit und es gibt kaum feste Anstellungen. Ein Bio-Siegel steht schließlich nicht für faire Arbeitsbedingungen vor Ort. Alles also fernab von dem, was sich viele vermutlich unter einer Bio-Produktion vorstellen.
Der industrielle Anbei von Bio-Produktion hat zudem auch Auswirkungen auf die Umwelt. Biosabor verwendet z.B. aus Kostengründen zur Bewässerung der Pflanzen wertvolles Grundwasser statt entsalztes Meerwasser. Das geschieht jedoch in solchen Mengen, dass der Grundwasserspiegel in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist und dadurch nun das Meerwasser in die oberen Schichten drückt. Das führt dazu, dass auch das Grundwasser immer mehr versalzt. Durch den hohen Preisdruck handeln die Big-Player im Bio-Bereich rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die langfristigen Folgen für die Umwelt spielen weniger eine Rolle.
Hier ist deutlich zu sehen, wie sehr die Nachfrage das Angebot bestimmt. Wie schon erwähnt, gibt es ganzjährig bei uns so gut wie jedes Obst und Gemüse zu kaufen. Wer sich vorwiegend mit Bio-Produkten ernährt, sollte jedoch auch hier darauf achten, woher die Produkte kommen. Ebenso sollte man am besten immer die jeweiligen Lebensmittel kaufen, die gerade Saison haben und die es in unserer Region oder dem nahen Ausland gibt. Wenn wir aber das ganze Jahr lang Dinge wie Erdbeeren und Spargel haben wollen - ist das zwar möglich, geht aber häufig zu Lasten von Mensch und Umwelt.
Was bedeutet "Bio" in puncto Tierwohl?
Was bedeutet "Bio" in puncto Tierwohl?

Das Bio-Siegel deckt nicht nur Obst und Gemüse ab, sondern erstreckt sich auch über Tierprodukte. Doch welche Auswirkungen hat ein Bio-Siegel für die einzelnen Tiere? Leben diese glücklich und zufrieden mit ihren Artgenossen auf tollen Bauernhöfen mit grünen Wiesen, so wie es uns die Bilder der Verpackungen immer suggerieren? Nichts könnte der Realität ferner sein. Tatsächlich sind die Vorgaben des staatlichen Bio-Siegels so allgemein, dass sich das kurze Leben dieser Tiere kaum von dem der aus der Massentierhaltung unterscheidet.
Je nachdem wie der jeweilige Betrieb die Vorgaben auslegt und umsetzt, haben die Tiere zum Teil etwas mehr Platz, glücklicher sind sie aber dadurch nicht. Das Futter für die Tiere muss auch biologisch angebaut worden sein - insofern kann man sagen, dass die Tiere eine qualitativ gesehen etwas höherwertige Nahrung bekommen. Ja, "Bio" ist in diesem Fall etwas besser als die Standards in der konventionellen Massentierhaltung. Aber da die Standards in der "normalen" Massentierhaltung derart extrem sind, macht eine minimale Verbesserung am Ende für das Tierwohl kaum einen Unterschied.
Bedingt ist dieser Umstand hauptsächlich dadurch, dass wir Verbraucher auch die Bio-Ware möglichst günstig kaufen wollen. Zum Beispiel die Bio-Eigenmarke vom Discounter statt regional vom Bio-Markt. Daher muss auch Bio-Ware in großen Mengen produziert werden, bei gleichzeitig größtmöglichem Profit, was am Ende immer zu Lasten der Nutztiere geht. Wer sich dazu ein genaueres Bild machen möchte, kann gerne mal im Internet nach Bildern von Bio-Hühnern bzw. deren Haltebedingungen suchen.
Warum gibt es so gut wie keine Supplemente in Bio-Qualität?
Warum gibt es so gut wie keine Supplemente in Bio-Qualität?
Wie kann es da sein, dass kaum ein deutsches Supplement eine Bio-Kennzeichnung hat? Die Begründung hierzu ist recht einfach: Sehr viele Inhaltsstoffe gibt es schlichtweg nicht Bio-Qualität (gemäß Gesetzgebung). Beispielsweise werden unsere essentiellen Aminosäuren fermentativ, aus Mais, gewonnen. Sie sind vegan und aus besten Rohstoffen, aber eben dennoch nicht bio. Ähnlich ist es mit kalorienfreien Süßungsmitteln: Stevia z.B. ist ein natürliches Süßungsmittel, der Extraktionsprozess der Steviolglycoside aus den Stevia-Blättern ist jedoch nach der EU-Bioverordnung nicht möglich.
Gleichermaßen verhält es sich mit vielen anderen Extraktionsprozessen. Sowie diese mit gewissen Hilfsstoffen stattfinden, ist das Produkt danach nicht mehr bio. Nehmen wir dazu einmal Kurkuma-Kapseln. Der Wirkstoff, der Kurkuma so wertvoll macht, ist das Curcumin und hier möchte man einen möglichst hohen Curcumingehalt erreichen. Dies ist jedoch nur durch die Extraktion, also die Aufkonzentration von Curcumin möglich und so kann man einen Curcumingehalt von bis zu 95% erreichen. Kurkuma-Kapseln in Bio-Qualität enthalten reines Kurkuma-Pulver (kein Extrakt) und weisen daher nur einen sehr geringen Curcumin-Gehalt im Bereich von 3-5% auf.
Ein weiteres Beispiel sind unsere Omega-3-Kapseln. Das Omega-3 Algenöl gibt es nicht in Bio-Qualität - der Anbau der Algen erfolgt jedoch in einer 100% kontrollierten Umgebung - Verunreinigungen oder Schadstoffbelastungen sind durch das geschlossene System grundsätzliche ausgeschlossen. Es handelt sich also um ein Top-Naturprodukt, welches strengsten Kontrollen unterliegt und hinsichtlich allen Parametern untersucht wird - aber es ist trotzdem laut Gesetz kein Bio-Produkt.
Warum sind viele Supplemente aus den USA und Rohstoffe aus Asien trotzdem bio?
Warum sind viele Supplemente aus den USA und Rohstoffe aus Asien trotzdem bio?

Es gibt hierzulande auch einige Proteinpulver aus den USA zu kaufen, welche als "organic" deklariert sind - also bio. Der Hintergrund hierzu ist, dass gemäß der Bio-Gesetzgebung in den USA wesentlich mehr erlaubt ist, als bei uns in Europa. Zum Beispiel auch in Bezug auf die Verwendung von Stevia. Das Interessante dabei ist jedoch, dass diese Produkte auch nach dem Import nach Deutschland ganz legal als bio bezeichnet werden dürfen, da es ein Handelsabkommen gibt, dass beide Standards (US organic und EU Bio) gegenseitig anerkannt werden. Würde man diese "Bio-Proteinpulver" mit den exakt gleichen Inhaltsstoffen in Deutschland herstellen, hätten diese Produkte keine Chance, jemals ein Bio-Siegel zu bekommen.
In Deutschland wird in puncto Bio-Qualität sehr genau hingeschaut. Ein Beispiel: Die gelben Erbsen für unser Erbsenprotein können nur alle fünf bis sechs Jahre auf einem Feld angebaut werden. Somit dürften in diesem Zeitraum auch keine anderen Pflanzen (z.B. Getreide) auf diesem Feld angebaut werden, so lange diese nicht auch bio sind. Denn werden diese z.B. gespritzt oder wird normales Düngemittel verwendet, könnten ja Rückstände davon in der Erde bleiben, was sich dann auf die Erbsen auswirkt - so die Gesetzgebung. Erst wenn die gesamte Fruchtfolge in Bio-Qualität angebaut wird, kann das jeweilige Feld auch bio-zertifiziert werden.
Auf der anderen Seite gibt es auch wortwörtlich tonnenweise Bio-Proteine (Reis, Erbse, Hanf etc.) aus Asien. An dieser Stelle muss nun jeder für sich entscheiden, inwiefern hier die gleichen Standards eingehalten werden, wie man es in Deutschland gemäß Gesetz tun müsste. Wenn es schon in Deutschland so gut wie nicht umsetzbar ist, ein entsprechendes Bio-Erbsenprotein zu produzieren, wird es am anderen Ende der Welt sehr wahrscheinlich nicht einfacher. Wenn man dann noch die Unsicherheiten durch die Bio-Kontrollen im Ausland hinzurechnet, muss man doch ein sehr großes Fragezeichen hinter Bio-Proteine aus Asien machen.
Was bleibt am Ende vom Bio-Siegel? Unser Schlussfazit
Der grundsätzliche Gedanke hinter dem Anbau bzw. der Produktion von Bio-Produkten ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Es reicht jedoch nicht aus, lediglich auf das Bio-Siegel zu achten, sondern man sollte wirklich mit Sinn und Verstand einkaufen. Viele von den erwähnten negativen Aspekten können umgangen werden, wenn Du auf saisonale und regionale Ware achtest. Hast Du beispielsweise die Wahl zwischen Bio-Äpfeln aus Neuseeland und Bio-Äpfeln vom Bodensee, solltest Du dich für letztere entscheiden.
Bei in Deutschland angebautem Bio-Obst und Gemüse kannst Du dir sicher sein, dass die Einhaltung der Bio-Richtlinien deutlich stringenter gehandhabt wird als beispielsweise in Südeuropa oder außerhalb der EU. Zusätzlich stärkst Du durch deine Kaufentscheidung für Bio-Lebensmittel aus Deutschland auch die heimische Wirtschaft und unterstützt die regionalen Biobauern. Natürlich musst Du für Bio-Produkte auch etwas tiefer in die Tasche greifen als für konventionelle Produkte. Aber nur so kann der ursprüngliche Gedanke einer ökologischen, umweltbewussten Ernährung am Leben gehalten werden. Und am Ende profitieren auch Du und deine Gesundheit von hochwertigen Bio-Lebensmitteln.
Wenn Du bei den Bio-Lebensmitteln immer nur auf den Preis achtest, läufst Du umso mehr Gefahr, dass es sich dabei vielleicht um bewusst falsch deklarierte Ware handelt und Du am Ende nichts gewonnen hast. Dies bezieht sich in erster Linie auf Obst und Gemüse. Bei tierischen Produkten wird leider immer wieder deutlich, wie nachteilig es sich auf die Gesundheit und die Umwelt auswirkt. Vom Tierwohl ganz zu schweigen. Das Bio-Siegel wirkt hier lediglich zur Beruhigung des schlechten Gewissens - für das Tier bedeutet bio am Ende des Tages das gleiche Elend. Hier ist Lösung ganz einfach: Vegan.